Vor allem am Wochenende kann man in diesem Stadtteil folgendes Phänomen beobachten: Gruppen von urbanen Eltern schieben teure Buggys in Richtung Park, in denen der Nachwuchs unter diversen Laiben Brot geradezu verschwindet. Das Ziel: eine offene Stelle am Teich, von der aus man das Federvieh auf dem Tümpel bequem mit Brotbröckchen bewerfen kann, obwohl direkt daneben eine Tafel mit einfachen und wohlgesetzten Worten zu erklären versucht, warum gerade das für Gewässer und Tier nicht so gut ist. Die Vögel haben sich an den Service gewöhnt und so erlebt der Spaziergänger, der kurz am Ufer inne hält, dass er im Nullkommanix von Enten, Rallen, Möwen, Gänsen, Schwänen, Tauben und Rabenkrähen umlagert ist, die ihn erwartungsfroh anschauen. Es ist, als würde man im Teich einen Stöpsel ziehen und alles, was obendrauf schwimmt, strömt an einer Stelle zusammen.
Alles? Nein, nicht alles! Ein unbeugsamer Wasservogel verweigert sich der Brotkanten-Korruption und zieht hocherhobenen Hauptes seine Bahnen. Es ist der Haubentaucher. Ihm kann der schimmelige Wohlstandsmüll gestohlen bleiben, denn er schnappt sich lieber einen fetten Fisch aus den Tiefen des Gewässers. Im Tauchen ist er spitzenklasse, kein Wunder bei diesem schnittigen Körperbau. An Land sieht man ihn dagegen so gut wie nie. In einem alten Vogelbuch, das ich habe, wird er noch als Zugvogel beschrieben, der erst im April wieder bei uns ankommt. Für die Hamburger Taucher gilt das definitiv nicht, die überwintern gern in dieser schönen Stadt und machen schon im März ihr erstes Gelege klar. Als große Nestarchitekten gehen sie nicht in die Geschichte der Ornithologie ein: Ein Haufen Gezweig, irgendwie an einem umgestürzten Baum unter der Wasseroberfläche verankert, wird mit etwas Schlick und Pflanzenschmodder ausgepolstert, das muss reichen. Im April schlüpfen die Küken und feuern bald ihre Eltern mit lautem Fiepen zum permanenten Tauchen an, denn die hungrigen Schnäbel wollen ständig gestopft werden. Dabei arbeiten beide Altvögel als eingespieltes Team. Trotz des ganzen Stresses mit der Jungenaufzucht setzen die Haubentaucher meist noch eine zweite Brut später im Jahr an.
Das bereits erwähnte Vogelbuch beschreibt den Haubentaucher übrigens als menschenscheu, aber das muss ein Missverständnis sein, basierend vielleicht auf der Tatsache, dass er nie mit den anderen Wasservögeln zur Entenfütterstelle kommt. Im Sommer bewegt er sich ganz gelassen zwischen all den Alsterdampfern, Kanus und Stand-Up-Paddlern und taucht meist erst im letzten Moment ab.