Manchmal finden wir Dinge, nach denen wir ursprünglich gar nicht gesucht haben. So ging es mir am vergangenen Wochenende, als ich bei einem Spaziergang vor den Toren Hamburgs einen Baum mit kleinen schwarz-roten Früchten entdeckte. Der war mir bislang noch nie aufgefallen, obwohl ich diesen Feldweg regelmäßig entlang gehe. Aber in diesem Jahr hing der Baum auffällig voll und weckte so meine Aufmerksamkeit. Die ungefähr Waldheidelbeer-großen Früchte sahen nicht besonders vertrauenserweckend aus, aber die Rinde und die Blätter des Baumes erinnerten mich ein bisschen an die Zwetschge und so nahm ich einen Zweig mit nach Hause, um mich dort schlau zu machen. Und siehe da, es handelt sich um eine Steinweichsel (Prunus mahaleb) oder auch Felsenkirsche, die bei uns oft als Zierstrauch gepflanzt wird.

Die Steinweichsel oder Felsenkirsche
Die Früchte sind unangenehm herb-bitter, ich habe nur ein bisschen an einer zerdrückten Kirsche geleckt und es zog mir fast die Schuhe aus. Angeblich soll man daraus Likör herstellen können, ich bleibe da erstmal lieber bei der Schlehe. Das Holz wird wohl in manchen Regionen geschätzt, dort macht man Pfeifenstiele und Spazierstöcke daraus. Und dann las ich, dass die Samen unter dem Namen Mahlab, Mahleb, Mahalab oder Machlepi in der Türkei, in Griechenland und im Nahen Osten als Gewürz verwendet werden. Nun war meine Neugierde geweckt und ich habe einen Kirschstein aus einer Frucht gequetscht, mit einem Hammer geknackt, den weichen Innenkern herausgeholt, zerdrückt und dann beschnuppert. Und was soll ich sagen, ich war beeindruckt! Eine schwer zu beschreibende Mischung aus Bittermandel, Tonkabohne, fruchtigen sowie holzig-blumigen Noten. Wenn man den Kern zerkaut, schmeckt er zunächst erst einmal bitter, bevor sich die anderen Geschmackskomponenten ausbreiten. Klar, dass ich damit ein wenig herumexperimentieren wollte! Und wer hätte gedacht, dass der Orient im Landkreis Segeberg beginnt?
Bevor ich wieder zu „meinem“ Steinweichselbaum kam, habe ich viel im Internet über Mahlab gelesen und gelernt, dass es hauptsächlich zum Backen und für Milchspeisen genommen wird. So gehört es in das griechische Osterbrot Tsoureki ebenso wie in syrische Dattelkekse. Die Kerne scheinen keine Blausäure zu enthalten, dafür aber verschiedene Cumarin-Derivate. Cumarin steckt auch in Kassia-Zimt, Tonkabohne und Waldmeister und verleiht ihnen ihr besonderes Aroma. Allerdings verursacht es in großen Mengen Kopfschmerzen und schädigt bei langfristigem Konsum die Leber, darum sollte man Cumarin-haltige Lebensmittel nicht allzu häufig verspeisen.

Im Schälchen: Mahlab, die weichen inneren Samen aus den Felsenkirschkernen
Ich habe ein Töpfchen Steinweichseln geerntet, mit Hilfe einer Flotten Lotte die Steine aus dem Fruchtmus gepult und einige davon im Mörser geknackt. Das schreibt sich jetzt so leicht, aber ganz ehrlich: das war eine Wahnsinns-Arbeit, puh. Steinekloppen halt. Irgendwann hatte ich ungefähr drei Esslöffel Kernchen zusammengekloppt (die sind echt winzig!) und wusste, das mache ich so nicht noch einmal. Ich schau mich lieber mal in türkischen Lebensmittelgeschäften um, da könnte es das Gewürz geben, ansonsten habe ich gesehen, dass man Mahlab auch über Amazon ordern kann. Egal, für ein paar Experimente sollte meine Ernte reichen.
Ich habe Milchreis mit Mahlab gekocht und war sehr angetan von dem subtilen Aroma. Da das Gewürz eine unverkennbare Bitterkomponente hat, sollte man nicht zu viel davon verwenden. Beim Kochen in der Milch entfaltet sich dann der besondere Duft, wie aus 1001 Nacht. Statt Mahlab kann man auch etwas geriebene Tonkabohne, Vanille oder eine Zimtstange im Reis mitkochen. Das alles ist kein 1:1-Ersatz, aber jede Version schmeckt auf ihre Weise wunderbar. Demnächst möchte ich auch noch einmal etwas Herzhaftes (zum Beispiel geschmortes Lamm) und ein Hefegebäck mit Mahlab probieren, aber hier kommt zunächst das Rezept für Reisbrei mit ganz geheimnisvoller Note.

Orientalischer Milchreis mit Feige und Orange
Für 4 Personen braucht ihr:
1 TL Mahlab
3 EL Zucker + mehr Zucker nach Geschmack
1,1 l Milch
1 Prise Salz
250 g Milchreis
1 Kardamomkapsel
1 Stück Bio-Zitronenschale
2 Orangen
ca. 225 ml Orangensaft
75 g Schlagsahne
1 Feige
Minze und gehackte Pistazien zum Verzieren
Und so geht’s:
Mahlab-Körner mit 2 EL Zucker im Blitzhacker oder einer elektrischen Kaffeemühle zu Pulver mahlen. Oder das Gewürz mit Zucker im Mörser fein zerstoßen. Milch, Salz, Milchreis, Kardamom, Zitronenschale und Mahlab-Zucker in einem Topf aufkochen. Zugedeckt bei sehr schwacher Hitze 25-30 Minuten quellen lassen.
Von den Orangen mit einem scharfen Messer die Schale inklusive allem Weißen abschneiden. Die Orangenfilets zwischen den Trennhäuten herausschneiden, dabei den herabtropfenden Saft in einem Schälchen auffangen und die Trennhäute zum Schluss gut ausdrücken. Mit Orangensaft auf 250 ml auffüllen.
1 EL Zucker in einem weiten Topf schmelzen. Sobald er braun wird, also karamellisiert, mit dem Orangensaft ablöschen. Nicht zu braun werden lassen, sonst schmeckt der Karamell bitter. Beim Ablöschen mit dem kalten Saft wird der geschmolzene Zucker zunächst wieder blitzartig fest. Weiterköcheln und dabei solange rühren, bis der Karamell losgekocht ist. Saft auf ungefähr die Hälfte einkochen. Mit den Orangenfilets mischen und auskühlen lassen.
Milchreis nach Geschmack süßen und etwas abkühlen lassen. Zitronenschale und Kardamomkapsel (wenn man sie denn im Reisbrei finden kann) entfernen. Sahne steif schlagen und unter den Reis heben. Milchreis warm oder kalt servieren und mit Orangen, Orangensaft und Feigenvierteln anrichten. Mit Pistazien und Minze verzieren.
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