Meine Mutter erzählte mir neulich, dass sie als Kind immer Taubnesseln für eine kräuterkundige Nachbarin gesammelt hat. Da die Pflanze gerade in voller Blüte steht, habe ich jetzt die Familientradition sozusagen wieder aufleben lassen und ein kleines Körbchen Blüten von der weißen Taubnessel abgezuppelt (es gibt auch noch gelbe und violette Formen). Das Ernten geht zum Glück prima, denn die Taubnessel ist im Gegensatz zur widerborstigen Brennnessel überhaupt nicht „bissig“. In Wirklichkeit sind die beiden noch nicht einmal verwandt. Die Taubnessel imitiert nur den Wuchs und die Blattform der Brennnessel, was ganz schön clever ist, da es sie vor so manchen Fressfeinden schützt.
Die gesammelten Blüten habe ich getrocknet. Sie ergeben einen guten Haustee, vielleicht werde ich sie dazu auch mal mit Him- und Brombeerblättern mischen. Dass der Aufguss aus den zarten weißen Blüten so kräftig braun gefärbt ist, hätte ich aber nicht erwartet! In der Volksheilkunde wird die Taubnessel eingesetzt bei vielen Frauenbeschwerden, zum Beispiel bei Ausfluss, Krämpfen während der Regel und unregelmäßiger Periode. Sie soll aber auch helfen bei Schlaflosigkeit, Katharren der Atemwege, Schleimhautentzündungen, Magen- und Darmbeschwerden sowie, äußerlich angewandt, bei Wunden, zum Beispiel Nagelbettentzündungen, und Krampfadern. Die nachweislich entzündungshemmende Wirkung beruht auf dem hohen Gehalt an Schleimstoffen. Für einen Tee 1-2 TL Blüten mit 250 ml kaltem Wasser aufgießen, zum Kochen bringen, vom Herd ziehen und ca. 5 Minuten stehen lassen. Anschließend abgießen und trinken.
Man findet die Taubnessel auf stickstoffreichen Böden an Feldrändern, Wiesen und Wegen sowie in Gräben und auf Schuttplätzen. Bienen und Hummeln mögen die Blüten auch sehr gern, denn sie sind eine erstklassige Nektarquelle. Davon kann man sich leicht selber überzeugen, indem man ein paar Blüten abzupft und hinten die süßen Tropfen heraussaugt.